Erfolgreiches Graphic Recording durch Improvisation

Beim diesjährigen Branchentreffen der deutschsprachigen Graphic Recorder in Wien beschäftigten wir Visualisiererinnen und Visualisierer uns ausgiebig mit dem Thema Improvisation. Zum Einstieg gab es dann direkt eine spannende Keynote von Jimmy Chiang, dem Pianisten, Dirigenten und Kapellmeister der Wiener Sängerknaben, der uns einen erhellenden Einblick in die Improvisation aus musikalischer Perspektive verschaffte. Wir entdeckten dabei spannende Querbeziehungen zwischen Graphic Recording und Musik und hielten das Ganze auch als Sketchnotes in unserem Skizzenbuch fest.

Improvisation ist eine Fähigkeit, die auch beim Livezeichnen eine große Rolle spielt: man muss sich unentwegt auf neue Themen und Gedankengänge einstellen und eben durch Improvisation eine überzeugende visuelle Zusammenfassung erschaffen.

Chiang nennt drei wichtige Faktoren, die entscheidend sind, um improvisieren zu können: Ziel, Handwerk (Repertoire) und Kommunikation.

Keynote Sketchnote Graphic Recording Improvisation

Das Ziel der Improvisation

Wofür improvisiere ich? Um improvisieren zu können, muss man ein Ziel vor Augen haben. Dieses kann durchaus einfach sein, wenn man womöglich nur Spaß dabei haben möchte, oder auch komplexer, wenn man zum Beispiel darauf abzielt, eine gute Performance vor Publikum ablegen zu können – wenn auch die spontan eintretenden Gegebenheiten dies erschweren.

Die Ziele beim Graphic Recording sind häufig das Zusammenfassen des Wesentlichen, die Gabe neuer Sichtweisen, das visuelle Protokoll für den Kunden und das Greifbarmachen komplexer Inhalte.

Kenne dein Handwerk

Was brauche ich zum Improvisieren? Improvisation gelingt nicht einfach im „luftleeren Raum“, sondern durch schnelles Abrufen und neu Kombinieren von Bekanntem. Es muss spontan und unmittelbar, ohne zu großes Kopfzerbrechen geschehen, da die Zeit in Improvisationsmomenten häufig knapp bemessen ist. Um aus einem reichhaltigen Repertoire schöpfen zu können, das man spielerisch und gekonnt einsetzen kann, ist es wichtig, sein Handwerkszeug zu beherrschen. Beim Musiker bedeutet dies beispielsweise das Beherrschen vieler Musikstücke, das Wissen um Harmonielehre und den Aufbau und Wirkung von Musik aus verschiedensten Epochen und Stilen. Wie klingt Klassik? Was macht Jazz aus? Wann „swingt“ Musik?

Bei uns Graphic Recordern ist es erst einmal wichtig, das zeichnerische Handwerk zu beherrschen. Desweiteren sollte man ein möglichst gutes Repertoire an visuellen Metaphern haben, viele Skizzen machen, Schriften und ihre Wirkungen kennen sowie mit Farben umgehen können. Vorbereitung ist meist nur begrenzt möglich, da der Gesamtinhalt von Vorträgen oft zuvor nicht bekannt ist (und der Ablauf in Gruppenarbeiten sowieso nicht) und zudem immer unvorhergesehene Änderungen passieren können, auf die man spontan reagieren muss. Improvisation innerhalb eines starren Rahmens schränkt sehr ein und führt in der Regel zu wenig freien Ergebnissen.

Kommunikation ist alles

Wenn Musiker zusammen improvisieren, müssen sie aufeinander achten und sich gegenseitig zuhören. Auch von Vorteil ist es, wenn sie ihre individuellen Spielweisen kennen. Kommunikation findet dort durch das Instrument statt, z.B. werden Tempo und Lautstärke auf den anderen Musiker eingestellt, Sprünge bemerkt und eventuelle Fehler oder Lücken sinnvoll ergänzt. Graphic Recoder sind zwar oft auch als Facheinziger bei der Arbeit, dennoch ist das Zuhören enorm wichtig. Man muss merken, wenn die Stimmung sich ändert, wenn während zum Beispiel einer Gruppendiskussion sehr dringliche Probleme zum Vorschein kommen. Was zeichnet man nicht, was lässt man weg? Es gilt, stets aufmerksam zu sein und zwischen den Zeilen zu lesen. Noch konkreter ist die Kommunikation, wenn mehrere Graphic Recorder zusammenarbeiten sollen. Wie koordiniert man sich, verhindert Redundanz und schafft ein harmonisches Ganzes ohne Stilbrüche? Als Designdoppel haben wir hier natürlich einen klaren Vorteil als eingespieltes Team. Wir zeichnen schon lange zusammen und haben uns eine gemeinsame Figuren- und Stilwelt erarbeitet, die wir beide gleichermaßen beherrschen.

About Renate Pommerening

Renate Pommerening ist eine norddeutsche Illustratorin und Graphic Recorderin. Seit einigen gemeinsamen Projekten mit Anna Penkner im Illustrationsstudium sind die beiden quasi unzertrennlich und so gründeten sie 2014 zusammen das Studio Designdoppel, in dem sie mit Doppelpower an Illustrationen, Animationen und Livevisualisierungen tüfteln. Als echte Hamburgerin isst Renate Pommerening am liebsten Franzbrötchen - wenn auch laut ihrer Kollegin falsch herum. Mit Fischbrötchen kann sie aber weniger anfangen.