Open Space – was ist das?
Als Harrison Owen, ein amerikanischer Berater, eine Konferenz mit rund 250 Teilnehmern leitete und organisierte, machte er eine interessante Beobachtung: Auch wenn die Heausforderung, eine Großgruppenkonferenz für die Teilnehmer gewinnbringend zu gestalten ihm nicht schlecht gelang, für die Teilnehmer waren die Gespräche die „ganz nebenbei“ in den Pausen, am Büffet oder der Kaffeetheke abliefen am spannendsten und fruchtbarsten. Die Menschen nutzten die Gelegenheit, auch Themen abseits der Agenda anzusprechen und knüpften ganz ungezwungen neue Kontakte. Diese Offenheit und Unbefangenheit machte Owen nachdenklich. Konnte man diese positive Energie nicht auch für die Konferenz an sich nutzen? Daraufhin entwickelte er die Moderationstechnik des Open Spaces.
Beim Open Space geht es darum, den Teilnehmern einen offenen Raum zu ermöglichen, in dem sie ihre eigenen Themen besprechen können. Die Teilnehmer legen also ihre eigene Agenda fest. Zu Beginn werden sie ermutigt, sich ein Thema auszusuchen, das ihnen unter den Nägeln brennt und es auf ein Moderationskärtchen zu schreiben. Diese Themen werden dann jeweils einem freien Zeitslot und einem Ort zugeteilt und offen sichtbar für alle ausgehangen. Die Moderation unterstützt diesen Prozess, fasst Themen zusammen, die sich sehr ähnlich sind und schlängt freie Slots vor. So entsteht die Agenda, oft auch „Marktplatz“ genannt. Anschließend suchen sich die Teilnehmer aus, zu welcher Arbeitsgruppe sie gehen möchten und besprechen dort eigenverantwortlich ihr gewähltes Thema.
Als Regel gibt es beim Open Space das „Gesetz der zwei Füße“: Jeder Teilnehmer bleibt nur so lange bei einer Gruppe, wie er es für sinnvoll erachtet und kann jederzeit weiterziehen. Dadurch entstehen „Hummeln und Schmetterlinge“: Während Hummeln emsig von Gruppe zu Gruppe fliegen und die Workshops wechselseitig befruchten, sind die schönen Schmetterlinge einfach Anziehungspunkte in der Gruppe.
Weitere Regeln: „Wer auch immer kommt, es sind die richtigen Leute“ , „was auch immer geschieht, es ist das Einzige, was geschehen konnte“, „es beginnt, wenn die Zeit reif ist“, „vorbei ist vorbei – nicht vorbei ist nicht vorbei“. Betont wird also deutlich die Offenheit und die Teilnehmer werden ermutigt, offen und kreativ zu denken und ihre vorgefertigten Erwartungen abzulegen.
Gruppenwechsel bei Open Spaces
Open Spaces sind tolle Veranstaltungen, bei denen die Teilnehmer meist mit viel Kreativität, Energie und Begeisterung an ihre Themen gehen. Das überträgt sich schnell auch auf den Graphic Recorder. Da es meistens nicht genug Zeichner vor Ort gibt, um alle Gruppen abdecken zu können und die Agenda so offen ist, hat man allerdings immer ein wenig den Eindruck, man könne nicht alle Themen und Diskussionen vollständig gerecht werden. Ein häufiges hin-und-herspringen zwischen Räumen und Gruppen bleibt da nicht aus. Ich denke jedoch, es ist sinnvoll, das Gesetz der Zwei Füße auch für sich selbst gelten zu lassen und sich keine festen Regeln wie „nach 10 Minuten wechsle ich immer die Gruppe“ vorzunehmen. So wird man dem offenen Format des Open Spaces nicht wirklich gerecht. Bei einem Gruppenwechsel verliert man immer Zeit, nicht nur um in einen anderen Raum zu gehen, sondern auch um dort den Gesprächsfaden und das aktuelle Thema erst einmal gedanklich aufgreifen zu können. Ich persönlich wechsle immer dann den Raum, wenn ich das Gefühl habe, verstanden zu haben, was in der Gruppe vor sich geht und wenn der neue Input langsam etwas dünner oder lediglich ergänzend wird. Auch der Zeitpunkt, wann man in eine neue Gruppe wechselt, ist nicht egal. Meist ist es am besten, gleich zu Beginn eines Zeitslots einzusteigen – wenn ich aber feststelle, dass die Gruppe noch nicht so richtig in Fahrt kommt, wechsle ich manchmal auch direkt weiter zur nächsten Gruppe. Ein wenig verlasse ich mich da auch auf mein Bauchgefühl um die Gruppen zu identifizieren, in denen gerade ein tolles, angeregtes Gespräch im Gange ist.
Vorbereitung auf einen Open Space Workshop
Durch das offene Format kann man sich natürlich nur ganz allgemein auf den Workshop vorbereiten. Die Themen sind ja im Vorfeld noch gar nicht ausgearbeitet. Dennoch wird es wie bei jedem Event jedoch ein allgemeines Thema geben, zu dem man sich informieren und warmskizzieren sollte. Wichtig ist es hier auch, die Teilnehmergruppen zu identifizieren und sich im Vorfeld einmal in die Gruppierungen hineinzuversetzen. Vielleicht kann der Organisator des Events auch Informationen darüber geben, welche Themen der Zielgruppe gerade unter den Nägeln brennen oder welche Ereignisse es in diesem Feld vielleicht gegeben hat, auf die Bezug genommen werden könnte. Bei einem Open Space zum Thema Kindertagesstätten, der parallel zu den Flüchtlingsströmen stattfand, war natürlich Integration und Interkulturelles Lernen ein großes Thema. Weniger empfehlen kann ich es jedoch, sich bei der Vorbereitung bereits ein festes Layout oder ein Gesamtbild auszudenken, in das dann die Inhalte nur noch hineingemalt werden müssen. Das wird nicht funktionieren und passt auch gar nicht zum offenen Format des Open Spaces. Spontanität spielt hier auch für den Graphic Recorder eine große Rolle.
Open Spaces – Wie kann man Graphic Recordings und Illustrationen nutzen?
Graphic Recordings sind ja ohnehin immer ein tolles Erlebnis für die Beteiligten. Bei einem Open Space erfahren ihre Ideen Wertschätzung, wenn sie gezeichnet und festgehalten werden. Zudem erfahren die Teilnehmer ein wenig davon, was in den anderen Gruppen passiert ist, bekommen einen Eindruck über die Vielfalt der Themen und können neue Querverbindungen zu ihren persönlichen Ideen und Eindrücken ziehen. Dadurch bleibt die Veranstaltung länger und nachhaltiger im Kopf und ruft beim Betrachten des Bildes die positive und kreative Energie des Workshops wieder wach. Neben der Aufzeichnung der Arbeitsgruppen kann das Graphic Recording auch die Moderation unterstützen. Warum nicht einmal die Regeln des Open Spaces für alle gut sichtbar illustrieren, während die Moderation sie den Teilnehmern erklärt? So werden die Regeln nicht nur direkt greifbar gemacht, die Menschen werden direkt in das kreative und offene Format eingestimmt, dass sie in den nächsten Stunden oder Tagen begleiten wird. Natürlich muss so etwas im Vorfeld mit der Moderation und den Organisatoren abgesprochen und abgestimmt werden.
Fazit
Open Spaces sind großartige Events, bei denen man als Graphic Recorder viel Begeisterung und tolle Ideen aufnehmen darf. Es ist aber auch anspruchsvoll, sie zu illustrieren, denn vorbereiten kann man sich kaum und man wird immer das Gefühl haben, den vielen Gruppen und Ideen nicht vollständig gerecht werden zu können. Wenn man diesen Gedanken der Vollständigkeit aber über Bord wirft und sich die Open Space Regel „was auch immer geschieht, es ist das Einzige, was geschehen konnte“ zu Herzen nimmt, kann man mit einem Graphic Recording wunderbar die Stimmung, Themenvielfalt und Kreativität des Events einfangen.